Geschichte der Nordseeküche
Mit dem Ernährungshistoriker Asmus Gamdrup Jensen gehen wir in der Destination Vesterhavet auf eine historische Reise durch die dänische Essensgeschichte
Das Gebiet erstreckt sich von Vedersø Klit im Norden bis hin zur Ho Bugt im Süden. Hier stoßen wir aufgrund der Nähe zur Nordsee, auf regionale Gerichte mit Fisch – Klieschen zum Beispiel. Aber die Nordseeküche ist nicht nur von der Natur geprägt, sie setzt sich auch aus anderen Dingen als den lokalen Zutaten und Speisen zusammen – denn auch die Küchenutensilien und die robuste Bevölkerung dieser Gegend, geben der Nordseeküche etwas Besonderes. |
Wandelbare und kraftvolle Natur
Nur wenige Landschaften haben sich so verändert, wie die westjütländische. Durch die Wellen, die Stürme, die mit Sand gefüllten Schmelzwasserflüsse und durch Menschenhand. Sie alle haben die Landschaften, Ländereien und Fjorde, in denen die Rohstoffe leben, wachsen und Geschmack annehmen, umgestaltet. Der Geschmack entsteht in der Natur. Der Westwind hat es möglich gemacht, den Fisch direkt an der frischen Luft zu trocknen. Der Wind stellt eine wichtige Ressource dar. Die Heide und die Dünen sind eine wichtige Nahrungsquelle. Landschaften und Elemente der Natur haben den Geschmack der Nordseeküche geprägt.
Foto:VisitVesterhavet
Als das Eis vor gut 10.000 Jahren schmolz, zogen Schmelzwasserflüsse Sand und Geröll mit nach Westen. Es lag wie eine Decke über den flachgedrückten Landschaften Westjütlands. Die südwestjütländischen Gebiete waren die einzigen in Skandinavien, die nicht dem Gewicht der Eisdecke ausgesetzt waren. Das hat seine Spuren in der Landschaft hinterlassen, weshalb Westjütland heute anders aussieht als Ostjütland. Die Wälder wuchsen auf dem ehemals kargen Gelände, das damals noch mit dem heutigen England verbunden war. Und über dem sandigen Gelände erhoben sich die Moränenhügel als Überbleibsel der vorangegangenen Eiszeit, wie wir sie heute in der westjütländischen Landschaft vorfinden.
Dann kamen die Menschen in das Gebiet. Sie fischten und gingen auf Jagd. Auerochsen und Austern. Die Temperaturen stiegen, das Eis schmolz weiter, der Meeresspiegel stieg, Meter für Meter, und die Küsten nahmen ihre jetzige Form an. Und trotzdem. Denn immer noch rauscht das Meer, die Temperaturen ändern sich, der Sand wird vom Wind davongetragen. Der Sand, der Wind und die Menschen haben dazu beigetragen, dass der Zugang zum Fjord ‚zugewachsen‘ ist, reguliert durch Schleusen und Deiche, die Salzkonzentration ist gesunken, und die Austern sind verschwunden. Seen wurden für landwirtschaftliche Flächen urbar gemacht. Die Landschaften setzen ebenso wie die Esskultur ihre Bewegungen fort.
Dann gibt es auch den Einfluss des Menschen. Umtriebig und kraftvoll. Eine Au wird begradigt, um später wieder in ihren ursprünglichen Lauf zurückgeführt zu werden. Fjorde und Seen, die entwässert werden, um Ackerland zu schaffen. Ackerland, das wieder überschwemmt wird, um der ursprünglichen Natur Platz zu machen. Wälder wurden abgeholzt, um Brennstoffe für die Erzgewinnung, Holz, Bau- und Brennholz zu gewinnen. Heiden werden durch Beweidung als Heiden erhalten, an anderen Stellen wurden sie zu Ackern gemacht. Aus einer Tradition für Rinderhaltung wurde eine Bewegung, eine völlig neue Art, die Landwirtschaft als Gemeinschaft zu organisieren, die seitdem die dänische Lebensmittelproduktion definiert. Auch eine Art von Einfluss.
Einfallsreichtum. Es wurden spezielle Methoden erfunden, um mit den örtlichen Gegebenheiten umzugehen. Direkt im Wind getrockneter Fisch, Räucherkisten für Fleisch an den Feuerstellen, Hornprodukte von den Rindern, die auf dem Land weiden. Schiffe, die ohne Kiel entwickelt wurden, um an einem Küstenabschnitt ohne Hafenmöglichkeiten direkt am Strand zu landen. Landschaften und Betriebsamkeit und eine Nordseeküche, die sich über Jahrtausende verändert hat und es stetig tut.
Schafe in den Dünen
Das Schaf findet sich überall. Auf Skallingen, in der Heide und auf dem Teller im Laufe der Geschichte. Das Schaf gedeiht auf mageren Böden, auf den Wiesen und in den Dünen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden in Ho Schafmärkte abgehalten, auf denen Wolle und Schafe gehandelt wurden, die direkt von Skallingen stammen. Mit der wichtigen Bedeutung des Schafes in der gesamten Region hat es auch einen wichtigen Platz in der Esskultur. Gesalzenes, geräuchertes und getrocknetes Hammel- und Lammfleisch wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Nahrung. Das getrocknete Lammfleisch wurde dem geräucherten vorgezogen.
„Kein anderes Wesen, als das Schaf, passt besser in diese Landschaft“
Hammelkeule, am Schornstein getrocknet, wurde als Delikatesse angesehen. Das Fleisch wurde für Hammelwürste, gegrilltes Hammel- und Lammfleisch verwendet, der Kohl wurde auf gesalzenem Hammelfleisch gekocht. Schaf- und Lammfleischbällchen wurden in einigen Haushalten in Gläsern mit geschmolzenem Schaftalg oder -fett konserviert. Es gibt auch Beschreibungen von gespaltenen Schafsköpfen, die auf einem Grillrost über einem Torffeuer zubereitet wurden. Auf demselben Rost hat man auch Heringe gebraten. Zu besonderen Anlässen kam auch mal eine Gans, eine Ente, ein Hase oder ein ganzes Lamm auf den Grillspieβ über der Feuerstelle. In alten Kochbüchern von Ringkøbing-Skjern stoßen wir u.a. auf Lammnacken, Lammkoteletts und Lammrücken.
Foto:Thomas Høyrup Christensen
Fische im Westwind
Ein unbestreitbares Merkmal der historischen Nordseeküche ist der luftgetrocknete Fisch. Hier wurde der raue Westwind als Ressource genutzt. In den historischen Küchen war Haltbarkeit immer eine Herausforderung, nicht zuletzt bei frischem Fisch. Verschiedene Formen der Verarbeitung konnten dabei helfen den Wasserinhalt zu senken, um damit auch das Verderben zu verhindern. Salzen, Räuchern und Trocknen waren Methoden, um die Feuchtigkeit zu reduzieren und die Haltbarkeit zu verlängern und oft auch in Kombination. Entlang der Westküste Jütlands waren die Bedingungen für die Lufttrocknung im salzigen Westwind optimal. Ein spezielles Lufttrocknungshandwerk entstand. Bei Regen konnten die Fische für eine Weile reingenommen werden.
Am bekanntesten sind die getrockneten Plattfische, oft Klieschen, die über Jahrhunderte paarweise auf Leinen direkt in den Westwind gehängt wurden. Bei Hvide Sande werden sie ‚Dabs‘ und weiter südlich ‚Bakskul‘ genannt. Als der Schriftsteller Achton Friis Anfang der 1930er am Henne Kro vorbeikam, wurde ihm so eine goldbraune, getrocknete Flunder serviert – hier ‚Bakskul‘ genannt. Sie wurde in dickes Papier gewickelt und direkt in der Torfglut des Ofens zubereitet. Wenn das Papier abgebrannt war, wurde die Flunder herausgeholt und glühend heiß auf dem Frühstücks- und Mittagstisch serviert. Siedend im eigenen Fett, dazu ein wohltemperiertes Bier. Achton Friis erwähnt nicht das Roggenbrot, das sonst üblicherweise dazu serviert wurde. Manchmal wurden die Klieschen nur getrocknet, aber oft auch geräuchert. Dieses ist eine der historischen Essenstraditionen, die immer noch aufrechterhalten werden. Im späten Frühling feiert man den ‚Tag des Dabses‘ in Hvide Sande.
Foto:VisitVesterhavet
Klieschen und andere Plattfische waren längst nicht die einzigen Fische, die im Wind getrocknet wurden. Auch Rochen, Dorsch, Wittling und Schellfisch wurden auf diese Weise verarbeitet. Ganz im Westen, an der Küste, haben Fische im Allgemeinen eine sehr große Rolle in der Ernährung gespielt. Es gab Haushalte, in denen man anstatt Brot, getrockneten Fisch zum frischen Fisch gegessen hat. 1890 wird beschrieben, dass sowohl Rochen als auch Dornhai häufig entlang der Westküste gefangen wurden, oft in großen Mengen und diese als Nahrung für die Bewohner der Gegend dienten. Sie werden mit denselben Haken gefangen, die auch für Schellfisch und Kabeljau verwendet werden. Früher wurden die Rochen zum Trocknen an Stangen aufgehängt. Von einem Bauernhof in der Nähe von Oksby wird auch beschrieben, dass sie große Gefäße und durchgesägte Weinfässer hatten, in denen der Fisch gesalzen und dann auf dem großen Platz getrocknet wurde.
Saisonfischerei
Früher legten die Fischerboote direkt am Strand bei den Fischerdörfern an, die oft direkt in den Meeresdünen lagen. Es gab keine natürlichen Piers, und die Form der Küste erschwerte den Bau von Häfen an der Westküste. Die Boote für die kleinen Fischgründe wurden deshalb ohne Kiel gebaut, damit sie leichter über den Sand gleiten konnten. Die meisten Fischer waren eindeutig Saisonfischer. Die Frühlingsfischerei ging von April bis Juni, die Herbstfischerei von Oktober bis rein ins neue Jahr. Zwischen St. Hans und St. Mikkels, 29. September, wurde nur selten gefischt. Die Kräfte wurden stattdessen für die Ernte aufgewendet, da viele abwechselnd sowohl das Land als auch das Meer als Einnahmequelle nutzten. Auch hier wurden Küstenfischerei und Landwirtschaft an die Gegebenheiten der Natur und der lokalen Ressourcen angepasst.
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Im Winter wurde Schilf geschnitten und im Eis des Fjords gefischt. Dafür wurde am Ringkøbing Fjord eine spezielle Fangmethode fürs Eis entwickelt. Dies geschah, indem ein T-förmiges Loch in das Eis gehackt wurde und weiter entfernt ein rundes Loch. Mit einem Schläger wurde das Wasser im Loch in Bewegung gebracht und verwirbelt, während gleichzeitig eine Stange mit einem Bügel und einem Netz durch das T-förmige Loch im Eis gezogen wurde. Somit kamen Plattfische ins Netz. Vielleicht fing man auf diese Art und Weise die sogenannte ‚Stadil-Flunder‘, vom Stadil Fjord, der 1777 als wunderschön beschrieben wurde.
Bei der Fischerei gab es große Unterschiede von Fischerdorf zu Fischerdorf. Die kleinen Fischerdörfer lagen verstreut entlang der Küste bis runter nach Skallingen. Tipper Fiskerleje, das heute eine Halbinsel im Ringkøbing Fjord ist, aber vor Schließung des Fjords direkt an der Küste lag, musste seine Steuern in Kabeljau bezahlen. Bei Klithane und Nymindegab wurde in Wittling abgerechnet. Weiter südlich bei Tudal, Tudhul, Uldal und Vesterside wurde dagegen in Skuller, also Plattfisch, bezahlt. Das passt gut zu der Tatsache, dass die Fischerei auf Schollen und allgemein auf Plattfische im Meer vor Skallingen eine bedeutende Rolle spielte. Südlich vom Ringkøbing Fjord entstanden Salzereien für Wittling und Kabeljau. Und ebenso länger südlich bei Oksby. Ganz gleich, ob es sich um Plattfisch oder Arten des Kabeljaus handelte, so eigneten sich die getrockneten und gesalzenen Fische mit ihrer langen Haltbarkeit hervorragend für den Handel. Auf diese Weise waren die Küstenbevölkerung und die Bauern im Landesinneren in stetigem Kontakt.
Die Jagd auf den Fjorden und das Sammeln in den Dünen
Neben dem Warenaustausch zwischen den Küstenbewohnern und den Bauern hatten viele Völker in den Küstengebieten wahrscheinlich eine Art Mischwirtschaft aus saisonalem Fischfang, Schafzucht, Jagd und Sammeln. Es wurden Vogeleier gesammelt, und u.a. aß man viele Möweneier. Es wurden Hasen gefangen und in großem Stil Federwild geschossen. Enten und Schnepfen. Aus einem alten Kochbuch der Ringkøbinger Bürger von 1814 wissen wir, dass auch größeres Wild gegessen wurde. Hier gibt es Rezepte für Hasen, Rehe, Damhirsche und Hirsche, sowohl aus dem Rücken als auch aus der Keule.
Foto:VisitVesterhavet
Besonders auf den westjütländischen Fjorden wurde viel Jagd betrieben, und die später verbotene Tonnenjagd auf Enten war sehr verbreitet. Die Schieβtonnen waren eine spezielle Konstruktion, die für die flachen, ruhigen Gewässer der Fjorde gut geeignet waren. Sie bestanden aus einer Außentonne, vergraben im Grund des Fjords, oben und unten offen. Da drin war eine andere Tonne mit festem Boden, die mit Ketten mit der Außentonne verbunden war und dem Wasserstand angepasst werden konnte. Die Schieβtonnen wurden bis 1967 u.a. auf dem Ringkøbing Fjord benutzt, danach wurden sie verboten. Die Tonnenjagd wurde insbesondere zur Jagd auf Krickenten, Pfeifenten, Perlenenten und Stockenten eingesetzt.
Austern, Lachs, Lavaret, Barsch und Hecht
Bevor Holmsland Klit nach Süden wanderte und den Zugang zum salzigen Meerwasser verschloss, gab es auch Austern im Ringkøbing Fjord. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts war der Fjord so offen und salzig, dass die königliche Austernfischerei auch noch verpachtet wurde. Damals waren Austern ein königliches Privileg und erforderten eine Genehmigung. Wir wissen nicht viel darüber, wie sie damals in der Gegend gegessen wurden, aber wir wissen, dass Austern in Fässern als Geschenk an Herzöge und Könige in anderen Teilen Nordeuropas verschickt wurden. Es war eine angesehene Fischerei. Während der Rückgang des Salzgehaltes im 18. Jahrhundert die Lebensbedingungen für Austern unmöglich machte, erschließen sich neue Möglichkeiten für andere. Zunehmend kamen Frischwasser- und Brackwasserfische. Auf einer Fischereikarte von 1890 sieht man deutlich, dass Dänemarks nun größter Binnensee, der Ringkøbing Fjord, eines der wichtigsten Fischereigebiete für Barsch und Hecht darstellte. Gefischt wurde mit Netz und Reusen. Auch Aal wurde damals, 1890, mit Reusen gefangen, während der Lachs sowohl mit Garn, Netz und Reuse im Ringkøbing Fjord gefangen wurde. Auch hier wurden sie in den großen Flüssen noch mit ‚Zäunen‘ gefangen.
Die Zaunfischerei war eine speziell entwickelte Fangmethode. 1890 gab es im Fluss Skjern Å noch einen ‚Lachszaun‘. Die Lachszäune waren imponierende Bauwerke. Es war eine Form von Riesenreuse, ein Gitter quer über den Fluss, gebaut wie ein großer Zaun aus Stäben, mit der Spitze gegen den Strom. Der Bau verlangte gute Kenntnisse über die Bewegung der Fische. Wenn der Lachs in diese Einzäunung gelangte, konnte eine Klappe hinter ihm, mit Hilfe eines Seils vom Fangturm des Anglers aus, geschlossen werden. Auch in der Varde Å gab es solche ‚Lachszäune‘. Im Allgemeinen war die Fischerei in den westjütländischen Flüssen und Bächen etwas Beeindruckendes. Aufzeichnungen von 1777 belegen, dass es in diesem Gebiet ausgezeichnete Angelmöglichkeiten für Lachs, Forellen, Äschen und Lavaret gab.
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Gerade der Lavaret hat einen besonderen Bezug zu dieser Gegend. Man kennt ihn nicht von vielen anderen Orten im Land als von der jütländischen Westküste und Teilen des Limfjords. Es ist eine Lachsart, die besonders im Brackwasser und im Ringkøbing Fjord gedeiht. Ein beliebter Speisefisch durch die Jahrhunderte in dieser Gegend, sowohl gekocht, gesalzen, gebraten und vor allem geräuchert. Noch in den 1970er und 80er Jahren wird beschrieben, dass man in fast allen Restaurants in Ringkøbing Lavaret servierte, sowohl in den feinen als auch in den einfachen Lokalen. In den feinen Speiselokalen kam der Fisch aufs kalte Büfett, in Stücke geschnitten und wieder zusammengefügt, serviert auf einer sogenannten „Sanddüne“ aus Salz. Zahnstocher hielten den Kopf und den Schwanz am Platz. Ansonsten aß man ihn gerne mit Gräten zu einer Scheibe Schwarzbrot.
Bei Varde stoßen wir auf eine besondere, historische Zubereitungsmethode für Lachs. Wenn man ihn ausgenommen hatte, wurde er in sein eigenes Blut gelegt. Dann wurde er in einer Tonne geräuchert. Es wird beschrieben, dass Nesseln und Erlenholz dem Lachs den besten Rauchgeschmack verliehen. Aufgekauft von Großhändlern, wurde er nach Hamburg versandt. Im Frühling und Sommer wurden an der Mündung der Varde Å viele Lachse in der Ho Bucht, auf ihrem Weg vom Meer in den Fluss, gefangen. Der gesalzene und geräucherte Varde Lachs war bekannt für seine gute Qualität.
Westjütländische Küchenutensilien
Die Nordseeküche ist also eine Küche, die sich an den Bedingungen der Natur orientiert. Der salzige Wind wurde genutzt, um ein Handwerk zu entwickeln, das Fisch im Freien trocknete. Die Fischerei hat sich an wechselnde Salzgehaltsbedingungen und einen Küstenabschnitt angepasst, der von Sand, Stürmen und Wanderdünen geprägt war. Doch eine Essenskultur wird von mehr als nur den Gegebenheiten der Natur beeinflusst und besteht aus mehr als den Rohstoffen und den Zubereitungen. Auch die Küchenutensilien selbst, Töpfe, Pfannen, Räucherkammern und Grills, prägen den Geschmack einer Region. Küchengeräte ermöglichen verschiedene Zubereitungsformen und haben einen Einfluss auf den Geschmack. Das galt auch für die westjütländischen ‚Jydepotter‘ (Tontöpfe), eines der ältesten Handwerke des Landes, das das Gebiet zwischen Ølgod und Varde geprägt hat.
Die Varde-Töpfe waren in den deutschen und niederländischen Städten aufgrund ihrer guten Zubereitungsqualitäten sehr begehrt. Das Essen brannte nicht so leicht an, die Töpfe gaben keinen Geschmack ab, wie man es von anderen Töpfen kannte, und Fleisch und Fett hielten sich länger. Die Eigenschaften des Tons waren von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Die Herstellung der ‚Jydepotter‘ basierte auf dem blauen Lehm der Region. Der Lehm wurde im Herbst ausgegraben und den Winter über gelagert, um mürbe und reif zu werden. Im März wurde er dann geknetet, zuerst mit den Füβen, dann mit den Händen. Die fertig geformten Töpfe wurden mit Mergelwasser abgerieben und mit einem Stein glattpoliert, manchmal auch mit Ornamenten verziert. In einem in die Erde eingelassenen Steinofen wurden die Töpfe in der Glut des Heidetorfs gebrannt und später auf einer offenen Feuerstelle in Heidetorf eingepackt. So blieb die dunkle Farbe des Rauchs auf den Töpfen erhalten, was wahrscheinlich dazu beitrug, ihm die Eigenschaften zu verleihen, die weiter südlich gesucht wurden.
‚Sætkage‘ ist ein historisches Gericht aus West- und Südwestjütland, nach der Form benannt, in der er gebacken wurde. Eine Milchschüssel, in der die Milch aufbewahrt wurde, bis sich die Sahne abgesetzt hatte. In dieser Gegend waren auch die Milchschüsseln schwarz und aus Ton. Der ‚sætkage‘ wurde im Ofen gebacken und war auch weiter südlich auf den Inseln des Wattenmeeres beliebt. Schweinefleischscheiben werden auf den Boden und an den Seiten verteilt, ein Teig aus Milch und Gerstenmehl, später auch Weizenmehl, wird in die Form gegossen und weitere Schweinefleischscheiben werden daraufgelegt. Nicht zu verwechseln mit ‚Satkuk‘ oder ‚Sakuk‘, einem Mehlpudding, der ebenfalls in der Gegend gegessen wurde und mit Schweinefleisch, Sirup und Kartoffeln, manchmal mit Soße anstelle von Sirup, serviert wurde. Der ‚Satkuk‘ wurde in einer selbstgemachten Tüte hergestellt, bis die Puddingform Ende des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewann. In einem alten Rezept aus Ringkøbing wurden außerdem Korinthen, Rosinen und ein bisschen Muskat hinzugefügt. Ein ähnliches Gericht mit ähnlichem Namen kennt man auch von Fanø.
Rinderzucht
Der Sand prägt die westjütländischen Landschaften. Sowohl am Strand, in den Dünen als auch in der Landwirtschaft. Seit das Schmelzwasser der eiszeitlichen Flüsse den Boden wegspülte, fehlte es im Boden an Nährsalzen. Die einsickernden Huminsäuren des Heidetorfes trugen zusätzlich zum Abbau der Nährsalze bei. Zum Glück gab es Lösungen. Damit das Getreide wachsen konnte, brauchte es Dünger, das Vieh konnte dabei helfen, das Vieh brauchte Gras, und Gras brauchte Wiesen. Die Wiesen waren die Futterkammer Westjütlands, die Grundlage des Lebens, sie lieferten Weide und Heu für den Winter. Aus diesem Grund lagen alle Gutshöfe Westjütlands an Bächen oder Fjorden. Hier gibt es die Wiesen und saftiges Gras. Es ist ein Merkmal des historischen westjütländischen Rindes, dass seine Futterbasis fast ausschließlich mit den Weiden verbunden war. Die Viehhaltung war hervorragend für die westjütländischen Gebiete geeignet. Neben den Bodenverhältnissen waren die großen, dünn besiedelten Steppen mit Vieh leichter zu bewältigen als Ackerbau. Der Getreideanbau erforderte mehr Menschen als eine Herde Ochsen oder Schafe, die von einem Hirten über die Landschaft getrieben werden konnte.
Damals wurden die kastrierten Bullenkälber allein wegen ihres schmackhaften Fleisches bevorzugt. Die Ochsen neigten zu Fettleibigkeit, sie produzierten fetteres und schmackhafteres Fleisch. Der Export war in jenen Jahren entscheidend für den Wohlstand in Dänemark. Man hatte Fremdwährung zur Verfügung, für z.B. Salz, das ganz entscheidend dazu beigetragen hat, die Haltbarkeit anderer Rohstoffe zu verlängern. Hier hatten offenbar die jütländischen Ochsen einen besonderen Vorteil. Jedenfalls wird 1777 beschrieben, dass „die jütländischen Ochsen‘ die Ochsen aller anderen Provinzen übertreffen, weil das Fleisch an Saftigkeit und Feinheit der Faser einen besonderen Vorzug hat, vom Salz durchdrungen zu werden. Die Bedeutung der Rinderzucht war enorm. Ringkøbings Entstehen als Seehandelsstadt ist u.a. dem Rinderexport im Hochmittelalter und der Renaissance zu verdanken.
Obwohl die Rinderzucht in den folgenden Jahrhunderten zurückging, war die lange westjütländische Tradition der Viehzucht auch einer der Gründe, warum gerade in diesen Gebieten eine überaus wichtige Erfindung das Licht der Welt erblickte. Eine Veränderung, die seitdem die dänische Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und den Wohlstand prägen sollte.
Die erste Genossenschaftsmolkerei der Welt
Außerhalb von Ølgod liegt ‚Hjedding Andelsmejeri‘. Heute erinnert es als Museum an die erste Genossenschaftsmolkerei der Welt, die hier das Licht der Welt erblickte. In den folgenden Jahren entstanden in ganz Dänemark Genossenschaftsmolkereien, sodass es nur 12 Jahre später landesweit 907 Genossenschaftsmolkereien gab. Dass es genau hier begann, ist kein Zufall. Dies lag sowohl an den Traditionen der Rinderzucht als auch an der Nähe zu England, dem wichtigsten Exportmarkt für die Butter. Dass in diesen Jahren die Etablierung der Eisenbahn vorangetrieben wurde, war ein wichtiger Faktor. Es geschah eine umfassende Umstrukturierung der dänischen Landwirtschaft in diesen Jahren. Ein lukrativer Getreideverkauf war abrupt beendet, die Getreidepreise stürzten ab und lösten eine weltweite Krise aus. Ob es diese vertrauten, herausfordernden Bedingungen waren, die Westjütlands Widerstandskraft erneut einen Vorteil verschafften, kann man nicht sagen. Aber die Idee, die Milcherzeuger zu Miteigentümern der Molkerei zu machen, war wegweisend, sie wurden in der Wertschöpfungskette nach oben gerückt, vereint und standen stärker da. Zuvor konzentrierte sich der Milchbetrieb auf die Gutshöfe, da die Kleinbauern nicht genügend Kühe für die eigentliche Milchproduktion hatten. Aber nun, wo sie sich zusammenschließen, war die Realität eine andere. Mit der Miteigentümerschaft hatten sie auch eine größere Verantwortung dafür, die Milchqualität auf höchstem Niveau sicherzustellen.
Buttermilch und Stachelbeeren
Aufgrund der Tradition der Viehzucht überrascht es vielleicht nicht, dass wir in der Gegend viele historische Rezepte mit Buttermilch finden. Es gibt in Buttermilch gekochte Gerstengrütze für Sauergrütze. Buttermilchbrotsuppe, Rohbuttermilchsuppe, Buttermilchdessert und kalte Buttermilchsuppe kehren alle aus den alten handgeschriebenen Rezeptheften zurück.
Neben Buttermilch, Schafen und getrocknetem Fisch fallen hier in den westjütländischen Rezeptheften auch Stachelbeeren auf. Sie sind in den Gärten von Westjütland gewachsen, und gerade die Genügsamkeit der Stachelbeeren machte sie auch für das Klima der Region geeignet. Sie wurden für Kompott und Gelee verwendet. Etwas weiter nördlich in Westjütland gibt es Beschreibungen von Stachelbeerspeck à la Apfel- oder Birnenspeck. Stachelbeeren werden schon im 19. Jahrhundert in Kochbüchern erwähnt. Es wurde Saft aus ihnen gemacht, Marmelade und Stachelbeergrütze gekocht und es wurden Stachelbeeren zum Braten gereicht. Grüne Stachelbeeren wurden auch in dickem Saft eingekocht.
Foto:VisitVesterhavet
Die Bedingungen der Natur in Westjütland können sowohl als herausfordernd als auch als Ressource betrachtet werden. Unabhängig davon haben die natürlichen Gegebenheiten die historische Esskultur geprägt. Der Wind hat die Fische getrocknet, der Lehm und die Heide haben das Geschirr geformt, die Dünen und Heiden haben sich den Schafen angepasst und die Rinder den großen, weiten Landschaften. Traditionen, die aufrecht erhalten wurden, schufen Wohlstand und eine Grundlage für die Weiterentwicklung. Alles Bewegungen, die dazu beigetragen haben, die heutige westjütländische Gesellschaft und den Geschmack der Nordseeküche zu formen. Und wir haben noch nicht einmal über das gute Gedeihen der Kartoffel in den sandigen Feldern Westjütlands gesprochen.